Theresa trifft Marleen & Thomas Knust

22. Oktober 2018

 Für den zweiten Film aus unserer Serie "Wundervoller Herbst" war ich zu Gast bei Marleen und Thomas Knust. Die beiden passionierten Landschaftsgärtner aus Ilhorn/Sprengel haben dort vor vielen Jahren einen Streuobstwiesenverein mitgegründet. Es ist für mich eine große Freude zu sehen, wie leidenschaftlich sich die beiden um all die vielen Obstbäume kümmern. Jeder Baum trägt eine andere historische Sorte. Von schmal und länglich bis kugelrund hängen die Birnen in herbstlichen Farben am Baum. Ob grün mit rostroten Bäckchen oder goldgelb,  jede Frucht ist für sich eine solche Pracht im Erntekorb! 

Warum Streuobstwiesen besonders wertvoll sind und vieles mehr wollte ich unbedingt von Marleen wissen und habe spannende Antworten von ihr erhalten.  Ich wünsche Euch ganz viel Freude beim Lesen!

Eure Theresa

Liebe Marleen, bitte stelle dich und deinen Mann kurz vor.

Mein Mann und ich lieben die Natur und das Leben auf dem Land. Wir sind beide echte Dorfleute und könnten nicht in einer Großstadt wohnen. Thomas arbeitet bereits seit 30 Jahren als selbstständiger Gärtnermeister und ich bin studierte Gartenbauingenieurin. Neben unserem gemeinsamen Interesse für Pflanzen, Gartengestaltung, Ökologie und Naturkreisläufen engagieren wir uns beide ehrenamtlich. 2003 wurde der Streuobstwiesenverein Ilhorn / Sprengel gegründet und wir beide gehörten quasi schon aufgrund unseres Berufes zu den Gründungs- und Vorstandsmitgliedern und sind es immer noch. Der Verein pflanzte 400 Hochstamm-Obstbäume an öffentlichen Wegen und landkreiseigenen Wiesen. Diese werden seit dem von den Vereinsmitgliedern gepflegt und das Obst geerntet. Der Erlös aus dem Verkauf von Obst, Säften und Hochprozentigem wird dann wieder in Vereinsausrüstung oder neue Bäume investiert.

Wie entwickelte sich euer Interesse und eure Begeisterung für die Streuobstwiese und den Erhalt der Obstbaumsorten?

Es war tatsächlich eine Entwicklung, die sich bei uns vollzogen hat. Obstbau gehörte während des Studiums nicht zu meinen Lieblingsfächern. Genauso ging es meinem Mann, der zwar den Obstbaumschnitt und das Pflanzen beherrschte, aber auch keine weiteren Sortenkenntnisse hatte. Aber durch die intensive Beschäftigung mit regionalen Obstsorten, durch die Apfeltage, durch Spezialfragen von Interessierten und durch eigene Beobachtungen wuchsen unser Interesse und unser Wissen. Im letzten Jahr habe ich mich dann zur zertifizierten Streuobstwiesenpädagogin ausbilden lassen, um mit Grundschulkindern in einer Art Outdoor-Biologie-Unterricht meine Begeisterung weitergeben zu können. Wir gründeten hierfür an unserer Schule die Schülerfirma "Freche Früchte".

Was macht eine Streuobstwiese aus und so besonders und warum sollten sie unbedingt gefördert werden? 

Streuobstwiesen sind, wie der Name schon sagt, in die Landschaft "gestreute" Hochstamm-Baumgruppen. Früher waren diese Wiesen rund um Dörfer und Städte für die Obstversorgung der Bevölkerung unverzichtbar. Jede Hofstelle hatte solche Bäume. In den 60er Jahren wurden viele dieser Wiesen wegen Unwirtschaftlichkeit gerodet. Damit ging auch ganz viel Wissen um Pflege und Obstverarbeitung verloren.Die Veränderung der Handelswege hin zu einheitlichen Größen, Standardverpackungen bei den Discountern und auch die hohen Ansprüche der Verbraucher haben zum Sterben der Sortenvielfalt geführt. Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen, denn auf einer einzigen Wiese kann man bis zu 5.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten finden. Von Rehwild, über Igel bis hin zum kleinsten Insekt finden dort viele Tiere einen abwechslungsreichen Lebensraum. Außerdem sind Streuobstwiesen ein großer Genpool, der auch heute noch für die Züchtung neuer Sorten genutzt wird. Die alten Sorten sind aromatischer und viele sind sogar für Allergiker geeignet. 


Wie und mit welcher Absicht entstand damals im Dorf die Idee Streuobstwiesen anzulegen und inwiefern verbindet das Projekt die Dorfbewohner untereinander?

Nachdem die Idee "Streuobst" in das Dorferneuerungskonzept aufgenommen wurde, haben wir zunächst den Altbestand im Dorf erfasst und bei den älteren Dorfbewohnern nach Sortennamen gefragt. Dabei kam längst Vergessenes zu Tage. Anschließend haben wir uns gemeinsam mögliche Pflanzstellen überlegt. Die Gemeindeverwaltung hat uns sehr gut unterstützt. Die Projektförderung machte es dann möglich Obstbäume für jeden Dorfbewohner mitzufinanzieren, so dass sich jeder der wollte an der Großbestellung beteiligen konnte. So wurde die Streuobstwiesenidee zu einer Dorfsache mit der sich fast alle identifizieren. Auch die alle zwei Jahre stattfindenden Apfeltage in der Dorfmitte sorgen dafür, dass sich fast alle Dorfbewohner auf unterschiedliche Weise beteiligen und auf unsere Bäume aufpassen. 

Was ist für euch der schönste Moment auf der Streuobstwiese?

Mein Mann findet die Obstblüte am schönsten. Ich persönlich mag den spannenden Moment unmittelbar nach der Blüte, wenn man die ersten kleinen Fruchtansätze erkennen kann.

Worauf muss man bei der Ernte der historischen Birnen besonders achten?

Ohne Kühllager lassen sich die meisten Birnensorten nur wenige Tage bis wenige Wochen lagern. Nach einer kurzen Phase der Genussreife werden Birnen mehlig oder fleischbraun. Das gilt sowohl für alte als auch für neue Sorten. Deshalb werden viele Birnen als Nasskonserve haltbar gemacht oder zu Dörrobst getrocknet. Für die Langzeitlagerung im Bereich 0-1° müssen alle Birnen hart gepflückt werden. 

Was bedeutet für dich persönlich Erntedank und das Gericht Birne, Bohne und Speck?

Erntedank ist für mich als Gärtnerin neben Weihnachten und Ostern eines der wichtigsten Kirchenfeste, denn das Danke sagen wird heute viel zu oft vergessen. Aber nach dem Hitzesommer 2018 merken wir alle, auch die beste Beregnung ist nicht so gut wie der Segen von oben. Wie heißt es doch in meinem Lieblings-Kirchenlied: "Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. Der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft wenn heim wir gehen Wuchs und Gedeihen drauf." Auch das Binden der Erntekrone hat Tradition, macht Spaß und schweißt zusammen. 

Birne, Bohne und Speck ist ein Gericht aus der Kindheit meines Mannes. Vor der Küchentür im Garten stand ein alter Birnbaum mit kleinen Früchten, die sich sehr gut für das Gericht eigneten. Außerdem wurden hier im Gemüsegarten meiner Schwiegermutter immer Stangenbohnen angebaut. Beides ist zur gleichen Zeit reif. Neben dem kleinen Lebensmittelladen wurde noch ein Schwein gehalten, das im Herbst geschlachtet wurde. So waren alle Zutaten vorhanden, so dass das herzhafte Gericht zu dieser Zeit öfter auf den Tisch kam.

 

Fotos: Claudia Timmann / NDR

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