Theresa trifft Kerstin Hinz

11. Oktober 2018

Für die aktuelle Sendereihe "Wundervoller Herbst" habe ich passionierte Menschen getroffen und zuvor interviewt. Es beflügelt mich immer sehr zu erleben, wie inspirierend die Begegnungen mit so wundervollen Menschen sein können. Ich fühle mich dabei wie eine Schätzesammlerin. Das erste Interview mit der Bio-Bäuerin Kerstin Hinz ist solch ein Schatz. Habt ganz viel Freude beim Lesen!

Eure Theresa

 Der Bio-Obsthof von Kerstin Hinz mitten im Alten Land ist ein magischer Ort. Unser Dreh begann bereits in den frühen Morgenstunden. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten die Wiesen in ein goldenes Licht und zarte Tautropfen brachten das Gras zum glitzern. Der Hof und das Café lagen noch still, nur Kerstins Katze streifte bereits umher und begrüßte uns. Es versprach ein wundervoller Tag zu werden und unser Besuch im Café Ottilie war wirklich etwas ganz Besonderes. Liebe Kerstin, vielen Dank für deine Gastfreundschaft und den wunderschönen Tag auf deinem Apfelhof!

 


 

Liebe Kerstin, was macht euren Hof so besonders?

2003 kauften wir die Hofstelle in Mittelnkirchen direkt an der Lühe im Alten Land. Wir wollten den Betrieb mit einem besonderen Hofkonzept aufbauen und sind Bioland-Mitgliedsbetrieb seit 2011. Alte Apfelsorten, ein kleines modernes Apfel-Ökosortiment, einige Beeren, Birnen und Nüsse. Einige Bienenvölker, ein kleiner Gemüsegarten und Wildkräuter ergänzen uns auch. Alles wurde so konzipiert, dass wir das Obst direkt vermarkten können, es frisch auf den Kuchen kommt oder wir es weiter verarbeiten können und dann als Chutney, Fruchtaufstrich im Glas landet und im Hofladen angeboten werden kann. Für unseren Altländer Apfel-Ketchup sind wir sogar als "Kulinarische Botschafter Niedersachsens" ausgezeichnet worden. 2013 war dann die Eröffnung von "Ottilie", unserem Hofcafé. 

Bitte erzähle mir ein wenig über eure Apfelbäume und die Sorten.

Es ist mir eine Herzensangelegenheit den Besonderheiten, dem Charakter von einigen alten Sorten Zukunft zu geben und zu sie zu beherbergen. Ich möchte den Geschmack, die Schönheit in Farbe und Form würdigen und aus dieser Spezifikation köstliches backen oder kochen. Außerdem ist es mein Wunsch unter Apfelbäumen irgendwann eine schöne lange Kaffeetafel herzurichten...

Zu einigen unserer Sorten: Der Gravensteiner ist ein Frühapfel. Er ist grün rot und schmeckt würzig säuerlich, sowie leicht faserig. Er ist zum Frischverzehr geeignet oder für die ersten spätsommerlichen Apfelkuchen. Singe Tillisch ist fein hellgelb. Er hat eine Ingwernote und wird schnell mürbe. Eine Köstlichkeit als Apfelmark oder Eis. Der purpurrote Cousinot ist leicht mürbe bis trocken. Er zeigt eine gestreifte Deckfarbe und sein Apfelmark schmeckt mild würzig und ist leicht rot. Eine beeindruckende Größe hat der Hornberger Pfannkuchen. Er ist fast so groß wie ein Babykopf. Sein feines frisches Fruchtfleisch hat eine angenehme Säure, er ist köstlich als Saft oder als Kompott, beim Kuchenbacken zerfällt dieser Apfel aber vollständig.

Was macht historische Sorten so besonders?

Historische Sorten haben einen sehr vielfältigen Geschmack, die Vielfalt, der Charakter von Fruchtfleisch und Schale sind einzigartig und damit auch ihre Verwendung für die Küche. Nicht nur zum Backen, sondern sie sind auch eine Bereicherung für die Küchen der Spitzen- und Sternegastronomie. Es kann ja alles verwendet werden: die Schale, die Kerne, das Fleisch...

Was muss man bei alten Sorten bei der Ernte, Lagerung und bei der Zubereitung besonders beachten?

Die Ernte ist aufwendiger. In den hohen Bäumen geht es meistens nur mit der Leiter. Kühl gelagert werden sollten alle. Mit einem Speziallager habe ich keine persönlichen Erfahrungen. Viele alte Sorten entwickeln ihren Geschmack erst spät. So ist der Finkenwerder Herbstprinz erst richtig aromatisch, wenn die Schale anfängt schrumpelig zu werden. Alte Sorten werden schnell braun, daher sollten sie zügig zubereitet werden und nicht lang "offen" stehen. Wir arbeiten daher mit kleinen Töpfen. Ich meine auch, dass nicht jede alte Sorte zum Kuchenbacken taugt, sondern ihre Stärken mehr als Apfelmark, als Creme oder als Saft hat. 

Wie kam damals deine Idee ein Café zu eröffnen und woher kommt deine Freude Gastgeber zu sein?

Ich habe schon immer gerne gebacken, nur nicht in diesen Mengen. Gastronomie ist für mich eine stille Leidenschaft. Über zwei Jahrzehnte habe ich diese nur aushilfsweise begleitet. Bedingt durch die besondere landwirtschaftliche Konzeption unseres kleinbäuerlichen Betriebs dachte ich "So ein kleines Sommercafé wäre doch eine optimale Ergänzung für das Wochenende". Ich habe gern Menschen um mich und empfinde es als großes Glück im Herzen wenn andere Menschen bei uns und mit uns eine gute Zeit verleben können. 

Wie lautet deine Backphilosophie?

Beste Zutaten, frisch handwerklich verarbeitet und immer mit einer Prise Liebe und Esprit.

Was sind für dich bei deiner Arbeit die schönsten Momente?

In der Saison die frühen Stunden am Morgen, wo die Vögel beginnen zu singen, die Luft klar ist, die Schwäne und Gänse über unsere Hofstelle ziehen, die Bäume im Dunst der Nacht stehen. Das und den Austausch mit unseren Gästen, die diesen besonderen Ort wertschätzen können und darüber sehr glücklich sind. 

Wie empfindest Du oder was bedeutet für Dich Erntedank? 

Erntedank ist für mich ein Blick zum Himmel und wieder zurück, verbunden mit der tiefen Liebe zu unseren Bäumen, in den Hof gehen zu können und die Äpfel sortenrein für den Kuchen zu pflücken. Das ist ein ganz großes Glück. Erntedank hat für mich auch mit Demut zu tun, was gebe ich zurück? Genügend? Achte ich auf den Boden, die vielen Lebewesen, das Wasser, das Umfeld?

Liebe Kerstin, vielen Dank für dieses schöne Interview!

 

Fotos: Claudia Timmann/NDR

 

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